Meine Lieben,
eigentlich wollte ich diese Woche einen Artikel zu den Themen Gesundheit und Heilung schreiben. Inspiriert von dem YouTube-Format Fair Talk (Unheilbar ist nicht …). Dieser Text wird auch noch veröffentlicht, doch während ich ihn schrieb, tat sich ein ganz anderes Thema in mir auf. Ein Altes, das ich während meiner Schulzeit schon erlebt habe, das mich besonders während der Corona-Zeit einholte und sich nun wieder zeigt.
Der Maulkorb.
Ich darf dieses und jenes Wort nicht benutzen, darf meine Meinung nicht äußern, darf nicht meine Stimme, meine Sprache verwenden, sondern muss alles irgendwie verklären und verwaschen. Ganz ehrlich?
Das raubt mir im Moment den letzten Nerv. Wir sollen authentisch sein – individuell, echt. Aber bitte nicht zu sehr, nicht zu laut, nicht zu anders. Und ich habe beschlossen: Ich spiele dieses Spiel nicht mehr mit.
Ob ich dadurch Leser verliere, Klienten oder Bekannte – sei es drum. Ich mag nicht über Begriffe wie „Bäuminnen“ nachdenken, die für mich einfach absurd sind. Ich mag mich nicht fragen, ob ich „woke genug“ bin. Ich will nicht gendern und ich will auch keine ständige Identitätszuschreibung nach sexueller Orientierung. Ja, ich bin bisexuell, aber ich bin in erster Linie Mensch. Ich brauche kein Etikett und keine Schublade. Wen ich liebe oder in mein Bett einlade, ist kein politisches Statement. Es ist einfach privat.
Ich bin ein Mensch, ich habe meine Werte, meine Moralvorstellungen, meine Wahrheit und mein Herz. Genau wie du und jeder andere.
Ich pflanze schnöde Bäume und Blumen und einfaches Gemüse. Meine Kinder sind junge Männer, auch wenn sie als kleine Jungs auch mal mit Puppen spielten oder in Mamas Stöckelschuhen spazierten. Ich habe Haustiere – keine Fellkinder – die ich respektiere und liebe. Ich trinke liebend gern Kaffee. Ich rauche. Ich bin ein Mensch mit Lastern, Ecken und Kanten, Schatten und all meinen positiven Eigenschaften. Ich bin es leid selbst in meinen Gedanken zensiert zu werden oder mich selbst zu zensieren.
Neulich hörte ich Dr. Raphael Bonelli über Tabuthemen sprechen. Er hat dazu ein neues Buch geschrieben („Tabu“), das ich noch nicht gelesen habe – aber seine Interviews haben mich sehr berührt. Er beschreibt, wie diese neuen Denk- und Sprachverbote unsere Gedankenwelt verändern. Auch ich bin in diese Falle getappt. Er veranschaulicht wunderbar bildhaft, was all die neuen Tabuthemen in unserem Kopf machen. Selbst ich, die zusätzlich zu einem analytischen Verstand auch noch jede Menge Fantasie besitzt, bin in diese Falle getappt. „Ich kann doch nicht so einen rauen, vulgären Ton in meinem aktuellen Werk verwenden“. „Das muss doch auch anders zu beschreiben sein“. „Ich kann doch nicht dieses Posting rausgeben, das ist viel zu provokant“. Um euch nur einige Gedanken zu nennen. Dabei bin all das ich. Und ja: Ich kann laut, direkt, ironisch, provokant oder sogar vulgär sein. Aber auch ruhig, zärtlich, mitfühlend und liebevoll. Das eine schließt das andere nicht aus. Ich bin nicht entweder/oder – ich bin alles.
Respektvoll zu Menschen, die mich mit Füßen treten? Nein – das bin ich nicht mehr. Auch nicht höflich. Auch nicht freundlich. Ich kann eiskalt sein, wenn es sein muss. Aber auch warmherzig, wenn jemand einfach nur gesehen und gehalten werden möchte. Vielleicht klingt das für einige von euch widersprüchlich – für mich ist es einfach nur ehrlich.
Niemand von uns ist nur Licht und Liebe und das müssen wir auch nicht sein. Unsere Schatten, Marotten und Eigenarten gehören genauso zu uns, wie unsere Meinung und das Recht sie auch frei äußern zu dürfen. Ich finde es bedenklich, wie schnell heute andere Meinungen in Schubladen gesteckt werden: „Schwurbler“, „Verschwörungstheoretiker“, „Volksverräter“. Wenn ein Etikett genügt, um jemanden mundtot zu machen, dann läuft in meiner Welt etwas falsch. Ich halte es aus, aber ich bin sicher nicht mehr still. Ihr könnt von mir halten, was immer ihr wollt, mich zum Beispiel als Eso-Tante bezeichnen, tut es laut, leise, heimlich, öffentlich - alles okay. Doch wenn ich damit klarkomme, dass ihr anders denkt als ich, muss das in meiner Welt auch umgekehrt so sein. Ich muss mich nicht verleugnen, meine Meinung nicht zurückhalten oder mich ruhig verhalten, weil es jemandes Komfortzone dient.
Und wenn ich in meiner Arbeit oder in einem Gespräch mit einem Freund bewusst sanfter formuliere, dann weil es meine Entscheidung ist – kein Kompromiss an ein System.
Ich schenke eine Umarmung, wenn sie nötig ist, aber ich trete auch mal in den Arsch – weil ich weiß, dass beides seine Zeit hat. Aber all das kommt aus mir, aus meinem Denken, meinem Fühlen. Es wird nicht von irgendjemanden bestimmt oder vorgeschrieben. Kein Grund mich zu verbiegen, sondern all mein Sein so einzusetzen, wie es sich für mich stimmig anfühlt. Da gibt es Licht, aber auch Schatten.
Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster und behaupte: Wir alle wissen, wie wir gerne behandelt werden wollen. Warum behandeln wir unser Gegenüber nicht genau auf diese Weise?
Egal ob es die Kassiererin im Supermarkt ist, oder der Hausmeister. Denn weder sie noch sonst jemand ist weniger wert als wir selbst. Möglich, dass sie weniger Wissen als ein Arzt, vielleicht würden sie uns aber auch mit dem Gegenteil überraschen. Wir laufen nicht in fremden Schuhen, sondern in unseren eigenen.
Urteilt ruhig, das tun wir Menschen nämlich. Aber verurteilt nicht und urteilt auch nicht vorschnell. Ich könnte euch Geschichten über superschlaue oder superempathische Menschen erzählen, die einfache Jobs machen. Genauso aber auch über Gelehrte, die es emotional nicht auf die Reihe kriegen. Niemand von ihnen ist besser oder schlechter. Nur anders. Und das ist gut so.
Habe ich dich heute getriggert?
Dann darfst du gerne wegklicken. Es wird wieder passieren. 😉 Oder – und das ist meine Einladung – du nutzt die Gelegenheit zur Selbstreflexion: Warum triggert dich das? Was hat dich berührt? Was spricht dich an? Ob gut oder schlecht – vielleicht bin ich heute ein Spiegel für dich.
Was du darin siehst, liegt bei dir.
Danke, dass du bis hierher gelesen hast und danke, dass du dich auf meine Gedanken eingelassen hast.
Bleibt euch selbst treu. Verletzt niemanden, nur weil ihr könnt –aber bleibt auch nicht still, wenn etwas gesagt werden will.
Habt eine friedliche, echte Woche, eure Manuela