Meine Lieben, ich liebe es, mich mit Menschen zu unterhalten. Dabei spielt weder das Alter, die Herkunft, der finanzielle Status, die Ausbildung oder sonst etwas eine Rolle. Ich liebe es andere Ansichten, Weltanschauungen und Geschichten zu hören, sie mit meinen Erlebnissen und Erkenntnissen zu vergleichen und vielleicht sogar meine Haltung zu manchen Dingen zu ändern. Erst am vergangenen Wochenende durfte ich wieder an einem kleinen Generationen-Talk teilnehmen. Eigentlich wollte ich nur eine Freundin treffen und dann gesellte sich auch ihr Sohn zu uns. Viele Stunden haben wir gesprochen, abgewägt und miteinander geteilt. Was daran so schön ist? Die Welt, die aktuellen Geschehnisse und das Leben aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Den Standpunkt des anderen einzunehmen, offen für etwas Neues zu sein und dies alles in einem respektvollen Umgang miteinander. Natürlich sind wir manchmal verschiedener Meinung und manchmal verstehen wir die Gedanken des anderen auch nicht. Deshalb müssen wir auch nicht streiten, oder dem Gegenüber unsere Meinung aufzwingen, ihn als dumm, naiv oder ewig gestrig abstempeln. Wir können den anderen sein lassen und uns darauf einigen uneinig zu sein. Das ist für mich eine erstrebenswerte Welt. War ich schon immer so? Um ehrlich zu sein, nein. Ich unterhielt mich zwar gerne mit Menschen, aber wollte sie eben auch für meine Gedanken begeistern, sie quasi auf meine Seite ziehen. Schließlich wusste ich ja, wovon ich sprach. Und ich hasste es, wenn es umgekehrt war. Erst durch die Arbeit an und mit mir, wurde mir klar, dass ich das, was ich so verabscheute, auch anderen antat. Klar, in meinem Job vermittle ich mein Wissen und meine Erfahrungen, aber ich überlasse es jedem einzelnen, was er daraus macht. Ich stelle Fragen, gebe Denkanstöße, zeige Wege auf, aber es liegt an dir, ob und wie du das für dich umsetzen kannst und magst. Ich mag zwar sehen, was dich blockiert, was dir Schmerzen bereitet, was du unterdrückst, aber wer bin ich dir dich hochzunehmen und den Weg zu tragen? Wer bin ich zu urteilen? In meinem Leben habe ich viele Umwege genommen, obwohl ich Menschen an meiner Seite hatte, die mir einen direkteren Weg aufgezeigt haben. Mein Verstand wusste das, aber etwas in mir sträubte sich dagegen. Warum? Ganz einfach, weil mein Weg eben ein anderer war. Auf meinen Umwegen lernte ich andere, neue, Dinge, traft einzigartige Menschen oder durfte mich Ängsten stellen. Rückblickend gab es für jeden Umweg einen triftigen Grund, auch wenn ich ihn zu diesem Zeitpunkt nicht sehen konnte. Warum also sollte ich einem Anfang Zwanzigjährigen meinen tollen Weg aufzwingen? Es gibt keinen Grund. Genau wie ich, geht er seinen Weg, in seinem Tempo, vielleicht auf Umwegen, vielleicht auf Abwegen, vielleicht aber auch mit einer Abkürzung. Ihn dabei zu begleiten, sein Wachstum zu beobachten und da zu sein, wenn er nach Hilfe bittet, ist viel schöner und bereichernder als ihn zu einem Lemming zu machen. Meine Lehrmeister diesbezüglich waren meine Eltern, vor allem aber meine Kinder. Ich wohne in einem 3-Generationen-Haus. Natürlich kracht es da manchmal, weil man nicht versteht, was in dem anderen vorgeht, weil man nicht sehen will, wie die Kinder auf die Nase fallen. Aber genau wie meine Eltern mir dabei zugesehen haben, tue ich es jetzt mit meinen Kindern. Wir reden, teilen unsere Gedanken, aber jeder darf und soll seinen Weg gehen und darf sich auch Fehler erlauben. Der Punkt ist, aus diesen Fehlern zu lernen. Das tun kleine Kinder sehr rasch und wenn wir sie lassen, tun sie es auch mit zunehmendem Alter. Natürlich trifft ein Teenager nicht immer tolle Entscheidungen, habe ich damals auch nicht und vermutlich wird jeder von uns schon mal so gehandelt haben. Uns Eltern tut es ebenso weh und doch dürfen wir unseren Kindern ihren Weg wählen und gehen lassen und im besten Fall strecken wir die Hand aus, wenn sie fallen, trösten sie und ermutigen sie weiterzugehen. Es ist dieser Austausch, das Verständnis, der Respekt und die Liebe zueinander, die nicht nur eine Eltern-Kind-Beziehung bereichern, sondern jede Art von Beziehung. Hören wir einander aufrichtig zu, geben uns Raum um zu reflektieren und eröffnen uns hier eine ganz neue Möglichkeit zu lernen. Ohne unseren Weg dabei verlassen zu müssen. Habt viele spannende Begegnungen (wenn ihr mögt) Bis nächste Woche, eure Manuela

14.04.2023