Meine Lieben, aus aktuellem Anlass melde ich mich diese Woche mit einem Sonderartikel zu Wort – weil ich das Gefühl habe, dass es einfach dran ist.

Die schreckliche Tat in Graz hat ihre Wellen bis zu uns geschlagen. Schon am Dienstag haben sich einige meiner jüngeren Klienten gemeldet und um ein kurzes Gespräch gebeten. Am Mittwoch ging es weiter – und deshalb brennen mir diese Themen so sehr auf der Seele.

Die Kinder und Jugendlichen fühlten sich unverstanden. Abgespeist mit Floskeln, nicht ernst genommen. Manche erzählten mir, dass sie sich ausgegrenzt fühlten, weil sie nicht nur Mitgefühl mit den Opfern und Angehörigen empfinden – sondern auch mit dem Täter. Andere wurden angehalten zu schweigen. Sich lieber mit etwas Schönem zu beschäftigen.

Doch sie alle eint ein Gefühl: allein dazustehen mit ihren Emotionen. Mit ihrer Wut, der Erschütterung, der Trauer, dem Unverständnis oder dem ganzen Gefühlschaos.

Ich habe keine Patentlösung. Keine Alles-wird-gut-Pille. Und auch keine Antwort auf das Warum. Aber ich habe den Raum offengehalten. Ich habe zugehört. Und ich habe das gesagt, was ich immer sage: Es ist nichts verkehrt mit deinen Gefühlen. Sie dürfen alle da sein. Ich habe ihnen auch gesagt, dass wir Erwachsenen oft genauso ratlos sind. Dass auch wir nicht immer wissen, wie wir damit umgehen sollen.

Das mag für dich – als Mama, Papa, Tante, Lehrer, Begleiter – vielleicht zuerst unbequem klingen. Kinder brauchen doch Halt. Führung. Erklärung. Ja. Natürlich. Aber meistens reicht es, einfach da zu sein. Ohne zu werten. Ohne zu verurteilen. Ohne Erklärung. Denn wie sollen wir etwas erklären, das wir selbst kaum begreifen?

Zuhören, wenn jemand das Gespräch sucht. Ernstnehmen, was in einem jungen Menschen vorgeht. So schaffen wir Halt. So geben wir Führung – auch ohne Lösungen. Das gilt nicht nur für die Tat in Graz. Auch die Drohungen und Schulschließungen der letzten Wochen hier in Tirol haben viele Kinder verunsichert. Und wenn sie dann noch nach Kriegen fragen – oder anderen schweren Themen, die sie erreichen –, dann ist das für uns Erwachsene oft nicht leicht.

Aber: Kinder halten die Wahrheit aus.

Sie halten es auch aus, wenn wir nicht auf alles eine Antwort haben. Was sie nicht aushalten, ist, wenn wir ihnen nicht richtig zuhören. Wenn wir sie halbherzig abspeisen. Wenn wir ihnen das Gefühl geben, falsch zu sein. Zu sensibel. Zu schwach. Zu irgendwas.

Wir dürfen ihnen zeigen, dass Stärke nicht in der perfekten Antwort liegt – sondern im ehrlichen „Ich weiß es auch nicht.“ Wenn wir fragen, wie es ihnen geht. Wenn wir den Raum offenhalten. Auch wenn es unbequem wird. Denn ja – es ist nicht bequem, sich mit Mitgefühl für den Täter auseinanderzusetzen. Oder damit, dass es eine Schweigeminute gibt – aber sonst kaum Raum zum Reden.

Nicht alle meine Klienten haben sich gemeldet. Und nicht alle erleben Sprachlosigkeit. Einigen steht der Raum offen – in der Schule, zu Hause, im Freundeskreis. Aber auch die leisen Stimmen verdienen es, gehört zu werden. Und selbst wenn es nur wenige waren – sie alle dürfen aufgefangen werden. Von jedem von uns. Ob du Mutter bist, Taufpate, Tante oder einfach ein Mensch mit Herz.

Wenn wir Kindern und Jugendlichen zeigen, dass ihre Gedanken und Gefühle willkommen sind – auch die, die unbequem oder schwer auszuhalten sind –, dann geben wir ihnen etwas, das sie ein Leben lang begleitet: das Vertrauen, dass sie gehört werden.

Und dafür braucht es keine perfekten Worte. Nur ehrliche Präsenz. Ein offenes Ohr. Und den Mut, einfach da zu bleiben.

Hab also den Mut, nicht alles wissen zu müssen. Aber da zu sein.

Hab den Mut, zuzuhören – auch wenn du selbst sprachlos bist.

Denn genau so fängt Halt an.

Wenn du das Gefühl hast, dass ich dich oder deinen Schützling in dieser Zeit unterstützen kann, dann melde dich gerne ganz unverbindlich bei mir. Für diese wilden Zeiten: eine Portion Mut, zwei Löffel Vertrauen und ganz viel Herz, eure Manuela


12.06.2025